Gedichte für jeden Anlass






Ich möchte nichts mehr sollen müssen

Du sollst den Rasen nicht betreten
Und am Abend sollst du beten.
Vitamine sollst du essen
Und Termine nicht vergessen.

Wir sollen nicht beim Spiel betrügen
Und wir sollen auch nie lügen.
Wir sollen täglich Zähne putzen
Und die Kleidung nicht beschmutzen.

Kinder sollen leise sprechen
Spiegel darf man nicht zerbrechen.
Sonntags trägt man einen Hut,
Zigaretten sind nicht gut.

Ich möchte alle Sterne kennen,
Meinen Hund mal „Katze“ nennen,
Nie mehr will ich Strümpfe waschen
Tausend Bonbons will ich naschen.

Ich will keine Steuer zahlen,
alle Wände bunt bemalen.
Ohne Schuhe will ich gehen
Ich will nie mehr Tränen sehen.

Ich möchte nichts mehr sollen müssen,
ich möchte einen Tiger küssen.
Ich möchte alles dürfen wollen,
Alles können – nichts mehr sollen.
 

Ludwig Kalisch (1814-1882), 48er-Exilant, Librettist von Offenbach, Hauslehrer bei den Rothschilds, Satiriker, Karnevalist und glühender Demokrat (aus: "Gebunden und Ungebunden")



von Elli Michler 
Ich wünsche dir Zeit 
 Ich wünsche dir nicht alle möglichen Gaben.
Ich wünsche dir nur, was die meisten nicht haben:
Ich wünsche dir Zeit, dich zu freun und zu lachen,
und wenn du sie nützt, kannst du etwas draus machen. 
 Ich wünsche dir Zeit für dein Tun und dein Denken,
nicht nur für dich selbst, sondern auch zum Verschenken.
Ich wünsche dir Zeit - nicht zum Hasten und Rennen,
sondern die Zeit zum Zufriedenseinkönnen. 
 Ich wünsche dir Zeit - nicht nur so zum Vertreiben.
Ich wünsche, sie möge dir übrig bleiben
als Zeit für das Staunen und Zeit für Vertraun,
anstatt nach der Zeit auf der Uhr nur zu schaun.
Ich wünsche dir Zeit, nach den Sternen zu greifen,
und Zeit, um zu wachsen, das heißt, um zu reifen.
Ich wünsche dir Zeit, neu zu hoffen, zu lieben.
Es hat keinen Sinn, diese Zeit zu verschieben.
Ich wünsche dir Zeit, zu dir selber zu finden,
jeden Tag, jede Stunde als Glück zu empfinden.
Ich wünsche dir Zeit, auch um Schuld zu vergeben.
Ich wünsche dir: Zeit zu haben zum Leben! 
 

mein absolutes Lieblingsgedicht von Tucholsky:

Augen in der Großstadt
Wenn du zur Arbeit gehst
am frühen Morgen,
wenn du am Bahnhof stehst
mit deinen Sorgen:
da zeigt die Stadt
dir asphaltglatt
im Menschentrichter
Millionen Gesichter:
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider -
Was war das? vielleicht dein Lebensglück...
vorbei, verweht, nie wieder.

Du gehst dein Leben lang
auf tausend Straßen;
du siehst auf deinem Gang, die
dich vergaßen.
Ein Auge winkt,
die Seele klingt;
du hast's gefunden,
nur für Sekunden...
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider -
Was war das? Kein Mensch dreht die Zeit zurück...
Vorbei, verweht, nie wieder.
Du mußt auf deinem Gang
durch Städte wandern;
siehst einen Pulsschlag lang
den fremden Andern.
Es kann ein Feind sein,
es kann ein Freund sein,
es kann im Kampfe dein
Genosse sein.
Er sieht hinüber
und zieht vorüber ...
Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick,
die Braue, Pupillen, die Lider -
Was war das?
Von der großen Menschheit ein Stück!
Vorbei, verweht, nie wieder.

(Kurt Tucholsky)

Joseph von Eichendorff
Mondnacht
Es war, als hätt’ der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt'.
Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis’ die Wälder,
So sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.






Weihnachtsvorfreude

Kerzenschein und Tannenduft,
Weihnachten liegt in der Luft.
Draußen ist es frostig kalt,
doch das Weihnachtsfest naht bald.
Es ist schön, sich zu beschenken,
an die Liebsten jetzt zu denken.
Stellt Euch auf die Freude ein,
dann wird ein schönes Fest es sein.


Weihnachtsmärchen
In dieser Nacht die Englein fliegen
und schmücken heimlich einen Baum
unter dem dann die Geschenke liegen –
ich sah auch das Christkind schon im Traum!

In dieser Nacht kehrt ein der Friede,
ich sah vereint der Menschen Schar,
sie reichten sich die Hand in Liebe –
wenn es nicht auch ein Traumbild war!

Ich will mich auf diesen Traum besinnen
und zu Weihnachten in diesem Jahr
Liebe schenken – damit will ich beginnen,
dann wird das Weihnachtsmärchen vielleicht wahr!

Zündet alle Kerzen an
Ich seh' den schönen Weihnachtsbaum.
Er leuchtet bunt, fast wie im Traum.
Es sind die Kerzen, sind die Sterne,
ich seh' den Weihnachtsbaum so gerne.
Ja, zündet alle Kerzen an!
Dann kommt bestimmt der Weihnachtsmann!

Ich bin der alte Weihnachtsmann

Ich bin der alte Weihnachtsmann,
ich hab einen bunten Wunderpelz an
mein Haar ist weiß von Reif und Eis.
Ich komm weit hinter Bremen her,
mit langen Stiefeln durchs kalte Meer,
meinen Mummelsack huckepack.

Da sind viel gute Sachen drin,
Nüss und Äpfel und große Rosinn
ich bin ein lieber Mann, seht an.
Ich kann aber auch böse sein,
dann fahr ich mit der Rute drein
und schüttel den Bart - na wart!
Nein, seid nicht bang seid lieb und gut,
seid wie das Blümlein Wohlgemut!
Das nimmt beglückt
alles, was der Himmel schickt.



Die Nacht vor dem heiligen Abend

Die Nacht vor dem heiligen Abend,
da liegen die Kinder im Traum;
sie träumen von schönen Sachen
und von dem Weihnachtsbaum.

Und während sie schlafen und träumen,
wird es am Himmel klar,
und durch den Himmel fliegen
drei Engel wunderbar.

Sie tragen ein holdes Kindlein,
das ist der Heil’ge Christ;
es ist so fromm und freundlich,
wie keins auf Erden ist.

Und wie es durch den Himmel
still über die Häuser fliegt,
schaut es in jedes Bettchen,
wo nur ein Kindlein liegt,

und freut sich über alle,
die fromm und freundlich sind;
denn solche liebt von Herzen
das liebe Himmelskind.

Wird sie auch reich bedenken
mit Lust aufs allerbest’
und wird sie schön beschenken
zum lieben Weihnachtsfest.

Heut schlafen noch die Kinder
und sehn es nur im Traum,
doch morgen tanzen und springen
sie um den Weihnachtsbaum.


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